07/04/2020
Die Corona-Pandemie verschont auch die Bauwirtschaft nicht. Die Folgen sind aufgrund der rasenden Entwicklung nur schwer zu erfassen. Alle Institutionen und Berater geben unterstützende Hinweise, wenngleich erhebliche Rechtsunsicherheiten verbleiben, da schon die Bundesländer unterschiedlich agieren/reagieren und alle Vorgänge (in allen Rechtsgebieten) immer im Einzelfall zu beurteilen sind, weshalb rechtsverbindliche Auskünfte so gut wie unmöglich sind.
Inhaltsübersicht
Wirtschafts- und Arbeitsministerin Hoffmeister-Kraut hat in einer Pressemitteilung am 30. März 2020 (Nr. 85/2020) erklärt: „Es ist wichtig, dass auch auf den Baustellen Vorsichtsmaßnahmen zum Arbeitsschutz und zur Vermeidung der Ausbreitung des Corona-Virus eingehalten werden.“
In der hierzu ergangenen Richtlinie werden die Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Baustellenverordnung konkretisiert. Die Regeln gelten für Baustellen im öffentlichen Raum, auf Betriebsarealen und auch für private Bauten. Demnach gilt:
Weitere Hinweise finden Sie in der Handlungshilfe der zuständigen Berufsgenossenschaft BG Bau:
Auch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat hat am 23.03.2020 erklärt, dass dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinator nach § 3 Baustellenverordnung in der jetzigen Situation eine besondere Bedeutung zukommt.
Falls auf der Baustelle ein Corona-Verdacht vorliegt, sind die wirtschaftlichen und vertragsrechtlichen Folgen in einer ganzen oder teilweisen Einstellung der Arbeiten im Hinblick auf die ansonsten bestehenden Fürsorge- und Kooperationspflichten abzuwägen.
Um sich ggf. abzusichern, ist darüber nachzudenken, eine behördliche Handlungsempfehlung beim Gesundheitszentrum einzuholen und auf der Grundlage dieser Einschätzung eine einvernehmliche Lösung zu treffen.
Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat schrieb hierzu am 23.03.2020, dass Baustellen möglichst weiter betrieben werden und Baumaßnahmen erst dann eingestellt werden sollen, wenn behördliche Maßnahmen dazu zwingen (z. B. Betretungsverbote) oder aufgrund behördlicher Maßnahmen ein sinnvoller Weiterbetrieb nicht möglich ist (z. B. weil Beschäftigte des Auftragnehmers unter Quarantäne gestellt wurden). Auch dies zu beurteilen ist eine Frage des Einzelfalls und weiter:
„Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt … auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist.
Aber auch die Einschränkung des Ministeriums „grundsätzlich geeignet“ zeigt, dass stets der Einzelfall unter Abwägung aller Interessen maßgeblich ist.
Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüche setzen Verzug voraus und Verzug verlangt Verschulden. Falls ein Fall der höheren Gewalt vorliegt, fehlt es einem Verschulden. Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüche treten daher bei höherer Gewalt nicht ein.
Generell gilt, dass derjenige, der sich auf eine höhere Gewalt wegen der Corona-Pandemie beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darzulegen und zu beweisen hat. Beruft sich ein Auftragnehmer auf höhere Gewalt, muss er darlegen, warum speziell er seine Leistung nicht erbringen kann. (denkbar wäre, dass Beschäftigte unter Quarantäne gestellt sind und keinen Ersatz zu finden ist oder Arbeiter wegen der Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen können oder kein Baumaterial zu beschaffen ist. Kostensteigerungen sind grundsätzlich nicht unzumutbar und können daher nicht als Begründung herangezogen werden.
Demnach kann man sagen:
Ähnlich wie bei Mietverträgen bleiben auch im Bauvertrag die wechselseitigen Pflichten grundsätzlich bestehen.
Alles im Zusammenhang mit einem Verzug (auch Ausführungsfristen) kann ein Fall der „höheren Gewalt“ oder fehlendes Verschulden sein.
Wenn eine höhere Gewalt vorliegt, muss der Auftragnehmer diese dem Bauherrn als Behinderung konkret anzeigen. Ein pauschaler Hinweis „behindert wegen Corona“ reicht für eine Behinderungsanzeige nicht aus. Die Darlegungen des Auftragnehmers müssen das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen.
Allerdings meint das Bundesministerium, dass die geforderten Darlegungen im Einzelfall mit Augenmaß, Pragmatismus und mit Blick auf die Gesamtsituation zu handhaben sind.
Nicht erlaubt wird sein, dass ein Auftragnehmer, der schon vor der Corona-Pandemie bei der Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte, sich nun hierauf berufen kann.
Wenn Mitarbeiter in einem Bauträgerunternehmen erkranken, liegt dies im Risikobereich des Bauträgers und rechtfertigt keine Fristverlängerung, da keine spezifische Corona-Problematik vorliegt, also kein Unterschied zu einer normalen Erkrankung besteht. Ähnliches gilt auch für eine Quarantäne einzelner oder mehrerer Mitarbeiter eines Bauträgers.
Falls höhere Gewalt im Einzelfall vorliegt, verlängern sich die Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten.
Auch ein Auftraggeber kann sich auf höhere Gewalt berufen wenn z. B. der Auftragnehmer von ihm Mitwirkungshandlungen benötigt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Vorgewerk wegen höherer Gewalt, für das der Auftraggeber verantwortlich ist, nicht rechtzeitig erbracht werden kann.
Stets ist im Einzelfall zu prüfen, ob vertragliche Pflichten eingehalten werden können. Bei einer hoheitlichen Untersagung jeglicher Bautätigkeiten (z. B. Ausgangssperre) liegt ein Fall der höheren Gewalt vor. Allein der Umstand, dass Mitarbeiter ohne hoheitliche Anordnung nicht erscheinen oder die Baustelle verlassen bedeutet nicht, dass der Auftragnehmer nicht haftet. Notfalls muss er neue Nachunternehmer finden.
Subunternehmer sind in gleichem Maße gehalten, Behinderungen zu melden. Sollte es zu Problemen innerhalb einer Leistungskette kommen, weil sich ein Subunternehmer zu Recht auf höhere Gewalt beruft, kann sich dessen Vertragspartner regelmäßig gegenüber seinem Auftraggeber ebenfalls auf ein mangelndes Verschulden berufen.
Wenn Fixtermine vereinbart sind und diese nicht eingehalten werden können und eine Vereinbarung über neue Vertragsfristen nicht gelingt, müssen Fertigstellungstermine gemahnt werden, da dann kein konkretes oder nach dem Kalender bestimmtes Ereignis feststeht, das eine Mahnung entbehrlich machen könnte.
Falls sich Vertragsfristen verschieben, sind Zuschläge für die Wiederaufnahme der Arbeiten und ggf. auch wegen der Verschiebungen eine ungünstige Jahreszeit zu beachten.
Nach Möglichkeit sollten sich die Beteiligten auf einen neuen Terminplan verständigen, sobald dies möglich ist, allerdings können dann neue Verzugsansprüche “lauern“. Vertragsstrafen müssen auf die neuen Fristen erstreckt bzw. neu vereinbart werden.
Auch wenn Lieferengpässe bestehen, muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein Fall der höheren Gewalt vorliegt. Der Auftragnehmer muss alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um eine Ersatzbeschaffung zu gewährleisten und dabei auch Preiserhöhungen in Kauf nehmen.
Sicherheiten bleiben bestehen und können wenn gesetzlich oder vertraglich vereinbart wechselseitig voneinander verlangt werden.
Falls es zu Verzögerungen auf der Baustelle kommt, können Abschlagszahlungen geltend gemacht werden. In den Fällen, in denen die VOB/B vereinbart ist, kann aufgrund der bestehenden Behinderung im Einzelfall eine Zwischenabrechnung gelegt werden, wenn sich die Ausführung des Bauvorhabens für längere Zeit verzögert; z. B. um einen Monat.
Bei Preissteigerungen trägt der Auftragnehmer das Kostenrisiko. Nur dann, wenn es sich um außergewöhnliche oder nicht vorhersehbare Preissteigerungen handelt, ist eine Vertragsanpassung (in der Regel hälftig) nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage denkbar. Wenn der Auftragnehmer das Material schon früher hätte beschaffen müssen, wird er sich nicht auf eine Vertragsanpassung berufen können. Ansonsten ist erneut der Einzelfall entscheidend und orientieren sich Preisentwicklungen an vorangegangenen Preisen.
Eine Kündigung aus wichtigem Grund setzt eine Pflichtverletzung des Vertragspartners mit Abmahnung voraus, die im Einzelfall zu bewerten ist. Falls ein Verschulden ausscheidet, insbesondere bei höherer Gewalt, wird auch eine Kündigung problematisch sein. Etwas anderes gilt, wenn die VOB/B vereinbart ist, da diese gemäß § 6 Ab. 7 VOB/B bei einer Unterbrechung, die mehr als 3 Monate andauert, eine Kündigung erlaubt.
Bauabnahmen können generell stattfinden, sofern das Bauvorhaben nicht unter Quarantäne gestellt ist oder eine generelle Ausgangssperre besteht.
Falls ein längerer Baustillstand befürchtet wird, sollte eine Teil-Abnahme in sich geschlossener Leistungen erfolgen. Außerdem muss der Auftragnehmer darauf achten, dass er Schutzvorkehrungen für sein Gewerk trifft, da ihn das Risiko des Untergangs seines Gewerkes bis zur Abnahme trifft.
In neue Bauverträge oder Nachtragsvereinbarungen sollten Klauseln zur COVID-19-Pandemie aufgenommen werden, denn wer in Kenntnis der aktuellen Sachlage Verträge – insbesondere mit verbindlichen Vertragsterminen – abschließt, kennt das Risiko und kann sich unter Umständen hierauf nicht berufen.
Bei neuen Verträgen ist darauf zu achten, die Frist großzügig zu bemessen und nicht davon auszugehen, dass die Arbeiten in den nächsten 1 – 2 Monaten wiederaufgenommen werden können.
Bei Preisvereinbarungen sollten Erhöhungen einkalkuliert werden.
Stand: 07.04.2020
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