08/04/2020
Die vorsorgliche Praxisschließung aufgrund wegbleibender Patienten oder zum Schutz von Mitarbeitern und Patienten kann eine Option sein – allerdings nur eine freiwillige. Niedergelassene (Zahn)Ärzte üben einen freien Beruf aus, d.h. Praxisinhaber sind frei darin, ihren Praxisbetrieb zu Coronazeiten – im Rahmen der geltenden Schutzvorkehrungen – auch weiterhin auszuüben. Schließen sie dennoch, schneiden sich (Zahn)Ärzte damit zumindest finanziell ins eigene Fleisch, ein Anspruch auf eine Entschädigung, etwa nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz), besteht in diesen Fällen nicht.
Auch im Falle einer freiwillig-unfreiwilligen Praxisschließung, etwa wenn nicht genug Schutzausrüstung für Behandler und Mitarbeiter zur Verfügung steht, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung nach IfSG.
Allerdings wird man prüfen müssen, ob sich die Situation nicht insgesamt als enteignungsgleicher Eingriff darstellt, wenn der Staat als Folge zahlreicher Regelungen wie Kontaktsperre etc. den Rückgang der Patienten als Kollateralschaden verursacht.
Für Vertrags(zahn)Ärzte gilt im Übrigen grundsätzlich auch weiterhin eine Behandlungspflicht gegenüber all jenen Patienten, bei denen kein Verdacht auf eine Corona-Infektion vorliegt.
Zugleich aber besteht die Gefahr, sich ggf. gegenüber Mitarbeitern oder anderen Patienten schadensersatzpflichtig zu machen, sollte es infolge fehlender Schutzausrüstung zu einer Infizierung kommen. Hier gilt es abzuwägen.
Dass der Bundesgerichtshof mit seinen Entscheidungen zur Praxishygiene vom 16.08.2016 – VI ZR 634/15 –, vom 19.02.2019 – VI ZR 505/17 – und vom 25.06.2019 – VI ZR 12/17 – die Beweislast für die Einhaltung der Hygienestandards weitgehend auf die Praxen verlagert hat, war 2019 schon unverständlich und würde, wenn man diese Grundsätze auch auf die COVID-19-Fälle anwendet, die Praxen dazu zwingen, zu schließen. Dann würde aber die Versorgung zusammenbrechen. Das BMG wäre gut beraten, in der aktuellen Situation die Anforderungen an Behandlungsdokumentation und alles was damit zusammenhängt herunterzusetzen bzw. ganz auszusetzen; denn entweder wird behandelt oder dokumentiert. Ersteres ist derzeit eindeutig wichtiger.
Anders sieht es aus, wenn dem (Zahn)Arzt oder einem der Praxismitarbeiter - ohne krank zu sein – ein Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG auferlegt und/oder eine Quarantäne nach § 30 IfSG angeordnet wird.
In diesen Fällen ist eine Entschädigung nach § 56 IfSG vorgesehen, sowohl für den eigenen Verdienstausfall (Abs. 2), als auch den eines durch die behördliche Anordnung wegfallenden angestellten Mitarbeiter (Abs. 5.)
Im Falle einer Praxisschließung (Ruhen des Betriebs), sei es durch Anordnung oder durch die tatsächlichen Gegebenheiten (etwa ein Arzt in Einzelpraxis, dem ein Tätigkeitsverbot und eine Quarantäne auferlegt wurden), hat der Praxisinhaber darüber hinaus auch einen Anspruch auf Erstattung der nicht gedeckten Betriebskosten „in angemessenen Umfang“ (§ 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG).
Dieser „angemessene Umfang“ ist sehr vage formuliert. Es gibt keine Erfahrungswerte zur Auslegung und Handhabung seitens der Behörden. Möglicherweise wird es darauf ankommen, inwieweit bei der Erstattung berücksichtigt wird, ob etwa eine Stundung der Miete und die Einführung von Kurzarbeit möglich gewesen wären.
Dagegen greift § 56 IfSG nicht, wenn der Praxisbetrieb durch allgemeine Maßnahmen wie ein Tätigkeitsverbot ganz oder – wie durch den mittlerweile wieder aufgehobenen § 6a CoronaVO Baden-Württemberg – teilweise lahmgelegt wird.
Das Landgericht Heilbronn hat es in einer Entscheidung vom 29.04.2020 – I 4 O 82/20 – abgelehnt, einem Friseursalon im Wege der einstweiligen Anordnung einen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zuzugestehen. Unter § 56 IfSG fielen die allgemeinen Betriebsschließungen gerade nicht. Dafür hätte die Schließung beispielsweise wegen Infektion oder drohender Infektion des Inhabers erfolgen müssen, was im Falle der Inhaberin des Friseursalons nicht zutraf. Für eine analoge Anwendung der Norm bestehe kein Raum, da keine Regelungslücke durch Rechtsfortbildung zu schließen sei. Durch die Rettungspakete für Selbständige sei die Lücke geschlossen worden (die Inhaberin hatte schon 9.000 € vom Land erhalten).
Das bedeutet, dass § 56 IfSG eng auszulegen ist. Die Hoffnung, eine generelle Praxisschließung würde zu Ansprüchen nach § 56 IfSG führen, ist also trügerisch. Man wird sicher der Frage nachgehen müssen, ob die jetzigen Maßnahmen nach anderen Rechtskonstruktionen Ersatzansprüche auslösen können (z.B. nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs). § 56 IfSG wird nur in den Fällen helfen, in denen es zu einer konkreten Praxisschließung bzw. Quarantäneanordnung durch die zuständige Polizeibehörde (Bürgermeister, etc.). kommt.
Für die Überbrückung bis zur Entschädigungszahlung bieten sich evtl. die von der KfW aufgelegten Hilfskredite an, die im Rahmen des sog. Corona-Schutzschildes vom Bund beschlossen wurden.
Weitere Informationen hierzu finden Sie u.a. auf der Homepage der apoBank:
https://www.apobank.de/corona/soforthilfe
Stand: 06.05.2020
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